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„Miroloi“: Karen Köhlers Protagonistin will aus einer frauenfeindlichen Welt ausbrechen

Erstellt:

Von: Janine Napirca

Karen Köhler liest aus ihrem Roman „Miroloi“.
In ihrem Roman „Miroloi“ entwirft Karin Köhler eine unfassbare fiktive Welt, die viel Realitätsnahes enthält. © Viadata/Imago/Hanser Verlag (Montage)

Die zunächst namenlose Protagonistin kämpft sich mit eigener Kraft und nur wenig Unterstützung durch eine misogyne Gesellschaft, die der unseren nicht allzu fern ist.

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Frauen sind doch längst gleichberechtigt? Nicht in unserer Lebensrealität und auch nicht in Karen Köhlers Debütroman „Miroloi“, der zwar fiktiv und dennoch voller trauriger Wahrheit ist. Wer sich auf die Lektüre einlässt, wird womöglich wütend oder gar fassungslos, vielleicht öffnet das Buch aber auch manchen Leserinnen und Lesern die Augen.

Karen Köhler „Miroloi“: Über das Buch

Obwohl es sich bei Miroloi von Karen Köhler um eine fiktive Geschichte handelt, die auf den ersten Blick sehr konstruiert erscheint, findet sich bedauerlicherweise sehr viel Wahres bzw. Realitätsnahes darin. Leserinnen und Leser dürften bei der Lektüre wieder und wieder an bekannte Situationen erinnert und dabei zurecht sehr wütend werden.

Ein Dorf, eine Insel, eine ganze Welt: Karen Köhlers erster Roman erzählt von einer jungen Frau, die als Findelkind in einer abgeschirmten Gesellschaft aufwächst. Hier haben Männer das Sagen, dürfen Frauen nicht lesen, lasten Tradition und heilige Gesetze auf allem. Was passiert, wenn man sich in einem solchen Dorf als Außenseiterin gegen alle Regeln stellt, heimlich lesen lernt, sich verliebt? Voller Hingabe, Neugier und Wut auf die Verhältnisse erzählt „Miroloi“ von einer jungen Frau, die sich auflehnt: Gegen die Strukturen ihrer Welt und für die Freiheit. Eine Geschichte, die an jedem Ort und zu jeder Zeit spielen könnte; ein Roman, in dem jedes Detail leuchtet und brennt.   

Klappentext / Hanser / dtv

Die elternlose Protagonistin bekommt von der Gemeinschaft auf der Insel, wo sie lebt, keinen Namen. Denn weil man ihre Herkunft nicht kennt, hat sie kein Recht dazu und wird von den meisten als Aussätzige behandelt. Sie lebt beim Betvater, der ihr heimlich das Lesen und Schreiben beibringt, und hat wenigstens in ihm und der älteren Frau Mariah ein wenig Rückhalt. In Sofia, die von ihrem Mann geschlagen wird, findet sie so etwas Ähnliches wie eine Freundin – im Lehrer hingegen einen pädophilen, widerlichen Vergewaltiger.

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Doch zum Glück gibt es den Betschüler Yael. Mit ihm erlebt sie Schmetterlinge im Bauch, die eine heimliche Mondnacht-Liebschaft zur Folge hat. Er ist es auch, der ihr den langersehnten Namen gibt: Alina. Nicht nur ein Name war ihr verwehrt geblieben. Sie hat auch keinen Anspruch auf ein Miroloi. Darunter versteht man das Lied, das nach dem Tod als Erinnerung vom Leben der Person erzählen soll. Alina singt es sich kurzerhand selbst, was man an der Stropheneinteilung des Romans erkennen kann.

Als der Betvater stirbt und die Machtverhältnisse verschoben werden, spitzt sich die ohnehin schon schlimme Situation insbesondere für Alina noch weiter zu. Die Khorabel, das religiöse Gesetz des Dorfes, wird erneut umgeschrieben und noch frauenfeindlicher gemacht. Weil Alina im Gegensatz zu den anderen Frauen lesen kann und eine ganz alte Ausgabe von Mariah, eine bislang aktuelle vom Betvater und die neue Khorabel besitzt, kann sie die Schriftstücke miteinander vergleichen. Sie fasst einen folgenschweren Entschluss: auf dieser Insel kann sie nicht länger bleiben.

Karen Köhler „Miroloi“: Fazit

Das Dorf auf der Insel dürfte dem einen oder der anderen totale DDR-Vibes geben: nur der Händler kommt regelmäßig vorbei und überrascht mit Erfindungen, wie beispielsweise Tampons, die es „nur da drüben“ gibt, vom Ältestenrat als etwas, das man selbstverständlich nicht braucht, abgetan wird. Ebenso wenig wie Strom und Maschinen, die Frauen die Care Arbeit abnehmen. Denn während die Männer den ganzen Tag mit nichts anderem als Trinken beschäftigt sind, buckeln die Frauen sich für die Gemeinschaft ab.

„Miroloi“ zeigt eine zwar konstruierte Welt auf, die in vielen Punkt allerdings von einigen Lebensrealitäten – insbesondere von Frauen – nicht allzu weit entfernt sein dürfte. Spannende, lehrreiche, wütend aber auch Hoffnung machende Lektüre, die sich definiv lohnt.

Wer von starken weiblichen, literarischen Stimmen nicht genug bekommen kann, sollte auch Jacinta Nandis „50 Ways to leave your Ehemann“, „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl und „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ von Sara Weber lesen. Auch „Enjoy Schatz“ von Jovana Reisinger ist eine literarische Reise wert.

Karen Köhler „Miroloi“

2021 dtv Verlag, ISBN-13 978-3-423-14788-0

Preis: Taschenbuch 12,90 €, Hardcover (2019 – Carl Hanser Verlag) 26 €, E-Book 12,99 €, 464 Seiten (abweichend vom Format)

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Karen Köhler

Karen Köhler wurde 1974 in Hamburg geboren, hat in Bern Schauspiel studiert und zwölf Jahre am Theater gearbeitet. Inzwischen schreibt sie Theaterstücke, Drehbücher und Prosa. Ihr Roman „Miroloi“ schaffte es 2019 auf die Longlist des Deutschen Buchpreises und wurde 2020 als „Schönstes Deutsches Buch“ von der Stiftung Buchkunst ausgezeichnet.  

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