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Kritik an Sprache in Kinderbüchern: Von Pippi Langstrumpf über Jim Knopf bis Charlie und die Schokoladenfabrik

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Von: Carina Blumenroth

Formulierungen in alten Kinderbüchern werden immer wieder kritisiert – mal ist es Rassismus, mal etwas anderes. Wie gehen Verlage damit um?

Generationen von Kindern und Erwachsenen lieben Kinderbücher von Astrid Lindgren, Michael Ende, Otfried Preußler oder Roald Dahl. Immer mal wieder gibt es Kritik an den Büchern in den sozialen Medien. Fokussiert werden da unter anderem Formulierungen, die nicht mehr zeitgemäß seien. Angemerkt werden beispielsweise rassistische oder sexistische Äußerungen in den Büchern. Manche Verlage ändern Texte in Absprache mit Autorinnen und Autoren oder Rechteinhabern ab. Andere Bücher werden nicht mehr gedruckt. Kritikerinnen und Kritiker werfen Zensur vor.

Sprache in Kinderbüchern: Zwischen zeitgemäßer Gestaltung und Zensur?

Ein Kind nimmt ein Buch aus seinem Bücherregal.
In Kinderbüchern sind oft Formulierungen, die man heute nicht mehr sagen würde. Wie damit umgehen? © Imago stock&people

Bücher von bekannten Autorinnen und Autoren erscheinen oft schon seit mehreren Jahrzehnten und haben teils eine Gesamtauflage von rund 40 bis 50 Millionen, wenn man sich die Autoren Otfried Preußler oder Michael Ende anschaut. Die beiden Autoren sorgen auch nach dem Tod für Aufsehen – einerseits sind die Bücher beliebt, andererseits werden Formulierungen darin kritisiert und teilweise an heutige Vorstellungen angepasst. „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler wurde schon mehrere Male angepasst. Die Welt zitierte 2013 eine Maxime, die Preußler für das Kinderbuchschreiben aufgestellt habe: „Was du für Kinder schreibst, musst du vor deinem Gewissen für Menschenkinder verantworten können.“ Das konnte Preußler mit der Formulierung ‚Negerlein‘ beispielsweise nicht mehr, daraus wurden im Buch Messerwerfer. Aber auch Formulierungen wie ‚Chinesenmädchen‘ oder ‚Türken‘ wurden kritisiert. Auch Autor Michael Ende (u. a. Die unendliche Geschichte) hat Änderungen an seinem Werk vorgenommen. Konkret geht es um das Buch „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“, Ende hat 1981 das ‚chinesische Kaiserreich‘ gegen das ‚Fantasieland Mandala‘ ersetzt.

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Sprache in Kinderbüchern – Einordnung durch Eltern?

Ein ‚N-Wort‘ hat Michael Ende in seinem Buch jedoch nicht geändert. Bärbel Dorweiler vom Thienemann-Esslinger Verlag sagt gegenüber dem Spiegel, dass man unterscheiden müsse, wer das Wort benutzt: „Es ist eben nicht Michael Ende, der das Wort benutzt, sondern er hat es einer seiner Figuren in den Mund gelegt.“ Eine Kollegin Dorweilers, die bei dem Gespräch ebenso anwesend gewesen sei, konnte auf die Frage, ob sie den Kindern die Passage vorlesen würde, nicht für den Verlag sprechen. Ableiten kann man daraus, dass letztendlich die Eltern entscheiden, was den Kindern vorgelesen wird.

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Änderungen in Pipi Langstrumpf? Lindgren hätte einiges anders gemacht

Erstmals ist Pipi Langstrumpf im Jahr 1945 erschienen, da sei einiges anders gewesen. Rückblickend hätte die Autorin Astrid Lindgren auch bei Pipi Langstrumpf etwas anders gemacht. „Ja, ich hätte eine Menge idiotischer Dinge gestrichen“, sagte Lindgren bereits im Jahr 1970. „Aber es ist nicht so, dass ich der Meinung war, dass wir den Schwarzen überlegen seien. Wenn Sie glauben, ich hätte irgendwelche rassistischen Tendenzen, dann irren Sie sich. Und Pippi hatte auch keine. Aber die Zeiten haben sich geändert.“
Aufgrund dieser Deutlichkeit und mit Rücksprache mit Lindgrens Familie habe der Verlag einige Wörter geändert. In der Originalfassung wurde Pippis Papa, Kapitän Efraim Langstrumpf ‚N-König‘ genannt, daraus wurde ‚Südseekönig‘.

Neuestes Beispiel: Charlie und die Schokoladenfabrik

Kritikerinnen und Kritiker werfen dem britischen Verlag von Roald Dahls Zensur vor. Betroffen sei unter anderem das Werk „Charlie und die Schokoladenfabrik“, die Änderungen seien vorgenommen worden, um das Werk für ein moderneres Publikum akzeptabler zu machen, informiert der Spiegel. Augustus Glupsch, der Gegenspieler von Charlie, wurde in der Ursprungsfassung von 1964 als ‚enorm fett‘ betitelt. Daraus wurde ‚enorm‘ bzw. ‚kräftig‘, je nach Fassung. Auch Begriffe zum Gender sollen geändert werden. Generell seien Thematiken rund um das Gewicht, die psychische Gesundheit, Gewalt und Hautfarbe teil der geplanten Änderungen. Der Autor Salman Rushdie bezeichnet das auf Twitter als „absurde Zensur“. Ordnete aber ein, dass Dahl „kein Engel“ gewesen sei, in einem Kommentar schrieb er, Dahl sei „ein bekennender Antisemit mit ausgeprägten rassistischen Tendenzen gewesen“. Weitere geplante Änderungen seien unter anderem Begriffe wie ‚crazy‘, ‚mad‘ oder ‚idiots‘, wie der Telegraph auflistet.

Sprache in Literatur: Was darf sie und was nicht?

Die letzten Änderungen, die angesprochen wurden, stoßen auf Kritik. Es sei „eine Verkennung, was Literatur ist“, sagt Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. Er kritisiert unter anderem die nachträglich und ahistorische Verbesserung und stellt sich damit auf die Seite Rushdies. Allerdings würde er das Wort Zensur nicht in den Mund nehmen, wie Moritz im weiteren Gespräch informiert. Unterscheiden solle man die allgemeine Sprache beispielsweise in Reden oder Sachtexten von der Sprache in der Literatur. Literatur wolle verstören und sich gegen den Mainstream positionieren. „Jetzt habe man das Gefühl, dass man keine Verstörung mehr zulassen will“, sagt Moritz im Interview mit Deutschlandfunk Kultur.

Übrigens: Diese acht Kinder- und Jugendbücher sollten Sie kennen. Lindgren, Ende und Preußler sind ebenfalls darunter.

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