Das Fantasy-Genre und seine Sub-Genres: Welche Unterschiede gibt es?
Von einer mittelalterlichen Märchenwelt bis hin zu Science-Fiction: Fantasy-Literatur ist unglaublich vielseitig und wird daher in verschiedene Sub-Genres unterteilt.
Zauberer, Werwölfe, Dämonen: In der Fantasy-Literatur werden Welten erschaffen, die phantastische Kreaturen und Elemente in den Mittelpunkt stellen. Der Kreativität des Autors sind keine Grenzen gesetzt, da er ganz eigene Lebensformen, Kulturen, Sprachen und Geographien erschaffen kann. Oft gibt es komplexe Weltentwürfe, die eigens erstellte Karten oder sogar neu geschaffene Sprachen umfassen. Im Zentrum der Fantasy-Bücher stehen Helden bzw. Heldinnen, die große Herausforderungen meistern müssen und dabei eine einzigartige Entwicklung hinlegen. Doch welche Sub-Genres gibt es eigentlich innerhalb der Fantasy-Literatur?
Die Geschichte der Fantasy-Literatur

Zu Beginn lohnt es sich, einen Blick auf die Wurzeln des Fantasy-Genres zu werfen. Beim Schreiben lassen sich Autoren häufig von alten Volksmärchen, Mythen und Sagen inspirieren. Genau dort liegt auch der Ursprung der Fantasy-Literatur. Viele Werke sind von klassischen Götter- und Heldenepen der Römer und Griechen inspiriert, wie beispielsweise der Ilias von Homer (750 v. Chr.) oder dem mittelalterlichen Nibelungenlied (um 1200). Während der Romantik im 19. Jahrhundert begeisterten sich immer mehr Autoren für die Phantastik. 1812 veröffentlichten die Brüder Grimm ihre weltberühmten Kinder- und Hausmärchen. Darüber hinaus bauten Schriftsteller wie Ludwig Tieck („Die Elfen“) und E.T.A. Hoffmann („Die Elixiere des Teufels“) immer mehr übernatürliche Elemente in ihre Werke mit ein. Außerhalb Deutschlands machten Edgar Alan Poe („Der Untergang des Hauses Usher“), Mary Shelley („Frankenstein“) und Jules Verne („Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“) mit ihren phantastischen Geschichten von sich reden. Nicht nur Abenteuer- und Schauerromane, sondern auch Science-Fiction-Literatur wurde immer populärer. Bedeutende Werke während dieser Zeit sind unter anderem „Dracula“ von Bram Stoker und „Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde.
Als Begründer der modernen Fantasy-Literatur gilt „Herr der Ringe“-Autor J.R.R. Tolkien. Mit seinem Epos rund um Hobbits, Zwerge und Elfen setzte er sich selbst ein Denkmal und löste in den 1960er-Jahren eine Begeisterungswelle für Fantasy-Werke aus. Ungefähr zur gleichen Zeit veröffentlichte C. S. Lewis die Buchreihe „Die Chroniken von Narnia“. In den 70er- bis 80er-Jahren feierten Terry Brooks mit seiner „Shannara“-Saga sowie Marion Zimmer Bradley mit „Die Nebel von Avalon“ große Erfolge. Ab den 90er-Jahren kristallisierten sich immer mehr Sub-Genres heraus. Mittlerweile umfasst die Fantasy-Literatur eine breite Genre-Palette, die nachfolgend im Detail erklärt wird.
Bleiben Sie auf dem Laufenden zu Neuerscheinungen und Buchtipps mit unserem kostenlosen Newsletter.
High Fantasy
High Fantasy ist der Klassiker unter den Fantasy-Romanen und wird oft mit den Werken von J.R.R. Tolkien und seinen epischen Geschichten von Mittelerde in Verbindung gebracht. Meist entspricht die Fantasy-Welt in ihrer sozialen und wirtschaftlichen Struktur dem Mittelalter. Es besteht häufig eine monarchische Herrschaftsstruktur und ein klassisches aristokratisches Gesellschaftssystem. Die Welt wird von verschiedenen phantastischen Wesen bevölkert und Magie spielt eine bedeutende Rolle. Werke der High Fantasy werden oft über mehrere Bände erzählt. Dabei begibt sich ein Held bzw. eine Heldin auf eine abenteuerliche Reise („Quest“), um eine wichtige Aufgabe zu lösen und einen übermächtigen Feind zu bekämpfen. Beispiele sind „Der Herr der Ringe“ sowie „Der Hobbit“ von J.R.R. Tolkien, „Das Lied von Eis und Feuer“ von George R. R. Martin sowie „Eragon“ von Christopher Paolini.
Low Fantasy
Im Gegensatz zur High Fantasy konzentriert sich die Low Fantasy mehr auf Einzelschicksale. Gut und Böse werden weniger stark abgetrennt. Zwar begibt sich auch hier ein Charakter auf Abenteuerreise, dabei ist er jedoch moralisch deutlich ambivalenter. Es geht weniger um das Schicksal einer fiktiven Welt, sondern um die persönlichen Erfahrungen einer einzelnen Figur. Magie kommt in der Low Fantasy deutlich seltener vor und wird oft nur von Schurken benutzt. Ein klassisches Beispiel für dieses Genre ist „Conan der Barbar“ von Robert E. Howard. Die Wurzeln der Low Fantasy liegen in der Pulp-Magazin-Szene der 1930er bis 50er Jahre. Noch heute werden Low Fantasy-Bücher überwiegend in Kleinverlagen oder als günstige Formate verlegt, während High Fantasy oft in hochwertiger Qualität erscheint.
Pseudohistorische Fantasy
Hier werden Elemente der Geschichte und Mythologie mit fantastischen Elementen kombiniert. In der Pseudohistorischen Fantasy werden oft echte historische Ereignisse, Orte und Personen als Vorlage verwendet, die mit Magie, mystischen Kreaturen oder übernatürlichen Kräften in Berührung kommen. Meist spielen die Romane in einer geschichtlichen Zeit wie dem Mittelalter, in der viele Menschen an Zauberei glaubten. Bekannte Werke sind die „Avalon“-Reihe von Marion Zimmer Bradley und „Der König auf Camelot“ von T. H. White, die sich auf die Artus-Legende stützen.
Dark Fantasy
Wie der Name schon sagt, enthalten Dark Fantasy-Romane sehr dunkle Elemente. Sie sind häufig am Horror-Genre angelehnt und erzählen düstere, unheimliche Geschichten. Tendenziell richtet sich die Dark Fantasy eher an eine weibliche Zielgruppe, da Leidenschaft und Erotik eine große Rolle spielen. Magie wird hier als unheimliche Kraft beschrieben, die mehr Schaden als Nutzen anrichtet. Typische Beispiele sind „Der dunkle Turm” von Stephen King sowie „Die Kettenwelt-Chroniken” von Alan Campbell.
Urban Fantasy
Spätestens seit „Harry Potter“ kommt kein Fantasy-Fan mehr an der Urban Fantasy vorbei. Hier durchdringen phantastische Elemente unsere reale Welt. Schauplatz sind oft Städte, die von verborgenen magischen Kreaturen bewohnt werden. Allerdings wissen nur ausgewählte Personen von der magischen Parallelwelt. Neben J. K. Rowlings Bestsellerreihe zählen außerdem „Percy Jackson“ von Rick Riordan sowie „Bartimäus“ von Jonathan Stroud zur Urban Fantasy. Geschichten wie „Die Chroniken von Narnia“ von C. S. Lewis, in denen die Romanfiguren durch ein Portal von der realen in die Phantasie-Welt gelangen, werden als Untergruppe der Urban Fantasy betrachtet. Auch „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende und „Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll fallen in diese Kategorie.
Humor Fantasy
In diesem Sub-Genre wird eine phantastische Welt erschaffen, in der absurde oder übertriebene Elemente und Figuren auftauchen, die den Leser zum Lachen bringen. Die Charaktere in Humor Fantasy-Geschichten können zum Beispiel sprechende Tiere, skurrile Monster oder exzentrische Zauberer sein. Oft wird eine satirische Darstellung von Fantasy-Klischees verwendet. Ein bekannter Vertreter ist die „Scheibenwelt“-Reihe von Terry Pratchett, in der eine flache Welt von einer Schildkröte getragen wird und in der Magie auf ungewöhnliche Weise funktioniert. Auch Parodien auf populäre Romane wie „Barry Trotter“ („Harry Potter“) zählt zur Humor Fantasy.
Animal Fantasy
Bei der Animal Fantasy sind Tiere die Hauptcharaktere und erzählen die Geschichte aus ihrer Sicht. In diesem Genre haben Tiere menschenähnliche Eigenschaften wie Sprache, Kultur und Gesellschaftsstrukturen. Meist richten sich die Werke an Kinder oder Jugendliche. Ein bekanntes Beispiel der Animal Fantasy ist die „Warrior Cats”-Reihe von Erin Hunter, in der wilde Katzen im Wald leben und sich in Clans organisieren. Die Romane „Unten am Fluss“ von Richard Adams und „Als die Tiere den Wald verließen“ von Colin Dann zählen ebenfalls zum Genre.
Märchenromane
Märchenromane erzählen Geschichten, die Elemente aus traditionellen Märchen wie „Aschenputtel“ oder „Hänsel und Gretel“ enthalten, wie eine klare Schwarz-Weiß-Malerei und symbolische Figuren. Im Gegensatz zu klassischen Märchen weisen die modernen Werke vielschichtige Charaktere auf, die sich in einer komplexen Welt zurechtfinden müssen. Bekannte Märchenromane sind „Die unendliche Geschichte” von Michael Ende, „Alice im Wunderland” von Lewis Caroll und „Sternwanderer“ von Neil Gaiman.
Science Fantasy
Hier werden Elemente aus Science-Fiction und Fantasy miteinander vermischt. In Science Fantasy-Geschichten gibt es oft fortschrittliche Technologien, die in einer magischen oder mythologischen Welt existieren. Sie werden entweder von Menschen oder übernatürlichen Wesen beherrscht, zu denen außerirdische Rassen, Mutanten oder Dämonen gehören können. Science Fantasy ist vor allem unter Hobby-Autoren beliebt, da Verlage die klaren Labels Science-Fiction bzw. Fantasy bevorzugen. Beispiele sind „Otherland“ von Tad Williams und „Der Wüstenplanet“-Zyklus von Frank Herbert.
Social Fantasy
In der Social Fantasy werden sozial- und gesellschaftskritische Themen behandelt, die sowohl in unserer realen als auch in der fiktiven Welt existieren. Dazu zählen Missstände wie Rassismus, Diskriminierung, Unterdrückung und Machtmissbrauch. Die Charaktere leben meist in einer dystopischen Welt, aus der sie ausbrechen wollen. Vertreter sind unter anderem „Planet der Habenichtse” von Ursula K. LeGuin und „Die Tribute von Panem“ von Suzanne Collins.